Kenya: Paläanthropologe Richard Leakey mit 77 Jahren gestorben (2024)

Der Kenyaner Richard Leakey war eine faszinierende, oft aneckende Persönlichkeit, ein Forscher, Politiker und Aktivist. Am Sonntag ist er im Alter von 77 Jahren verstorben.

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Richard Leakeys Biografie ist ein Faszinosum. Wer sich mit dem Leben des Kenyaners beschäftigt, steht früher oder später fast zwangsläufig vor der Frage: Wie hat so vieles in 77 Jahren Platz gefunden?

Da ist zum einen sein beruflicher Werdegang. International bekannt ist Leakey heute vorab für seine Entdeckungen als Paläanthropologe – als Forscher also, der sich mit dem Ursprung des Menschen befasste. Doch der Enkel britischer Missionare war weit mehr als das: Leakey arbeitete unter anderem als Pilot, Safari-Organisator, Museumsleiter, Umweltaktivist, Anti-Korruptions-Kämpfer, Professor, Parlamentarier und Spitzenbeamter. «Er konnte nicht stillsitzen», sagt eine Biografin über Leakey. «Immerzu musste er etwas tun.»

Leakey galt aber auch deshalb als Mann der vielen Leben, weil er mehrmals knapp dem Tod entrann: Als Junge erlitt er einen Schädelbruch, später musste er sich Leber und Niere transplantieren lassen, kämpfte mit Hautkrebs und überlebte 1993 einen Flugzeugabsturz in einer Cessna, wobei er beide Beine verlor. Die Zeitschrift «National Geographic» bezeichnete den zähen Leakey deshalb auch als «draufgängerischen Indiana Jones des echten Lebens».

Vom Schulabbrecher zum gefeierten Entdecker

Leakeys Laufbahn abseits der gängigen Pfade begann bereits mit 16 Jahren, als er gegen den Willen seiner Eltern die Schule abbrach und den Flugschein machte, um Safari-Touristen im Land herumzuführen. Als er einige Jahre später beschloss, sich trotz anfänglichem Widerwillen wie seine Eltern mit den Ursprüngen der Menschen zu beschäftigen, tat er das bald mit beachtlichem Erfolg – trotz fehlender formaler Ausbildung.

Bei den von Leakey geführten Ausgrabungen um den Turkanasee im Norden Kenyas wurden Werkzeuge aus der frühen Steinzeit gefunden, die 1,9 Millionen Jahre alt sind. Die mit Abstand berühmteste Entdeckung seines Teams erfolgte 1984, als es das fast vollständige Skelett eines vor 1,6 Millionen Jahren verstorbenen Jungen ausgrub. Der sogenannte «Turkana Boy», der zur Art des hom*o erectus gehörte, bleibt das vollständigste frühe menschliche Skelett, das jemals gefunden wurde. «Leakey machte Ostafrika zum zentralen Schauplatz für das Studium der menschlichen Evolution», sagt der amerikanische Anthropologie-Professor Lawrence Martin.

Die Entdeckungen am Turkanasee machten Leakey international bekannt. In Kenya taten sich ihm die nächsten Karriereschritte auf. Mit 25 Jahren übernahm er die Leitung des kenyanischen Nationalmuseums. Später berief ihn die Regierung an die Spitze der Nationalparkbehörde, wo er sich einen Namen machte als Kämpfer gegen die Wilderei. Die symbolträchtigen Bilder der gestapelten Elfenbeinzähne, die Leakey verbrennen liess, gingen um die Welt und halfen mit, die kenyanische Rhinozeros- und Elefantenpopulation vor dem Aussterben zu bewahren.

In den 1990er Jahren erfolgte der Schritt in die Politik. Angetrieben vom Unbehagen über die verbreitete Korruption, gründete Leakey eine eigene Partei, wurde ins Parlament gewählt und amtete kurzzeitig als Kabinettssekretär unter Präsident Daniel Arap Moi. Darauf folgten eine Berufung als Professor in die USA sowie der Vorsitz des kenyanischen Ablegers der Anti-Korruptions-NGO Transparency International. Zuletzt gründete Leakey ein paläoanthropologisches Forschungsinstitut sowie eine NGO, die sich im Ostkongo für bedrohte Tierarten einsetzte.

«Ich tat in meinem Leben oft Dinge, von denen mir gesagt wurde, dass ich sie nicht tun soll oder tun darf», sagte Leakey 2015 mit Blick auf seine Laufbahn. Der Preis für diesen Mut und den Nonkonformismus war indes eine wachsende Zahl von Feinden – nicht wenige hatten ja von den Missständen profitiert, die Leakey bekämpfte. Immer wieder erhielt er Morddrohungen und musste in der Öffentlichkeit von Leibwächtern begleitet werden. Sein Flugzeugabsturz sei wohl das Resultat von Sabotage gewesen, sagte Leakey.

Ein Museum am Turkanasee

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Leakey vorab auf seiner Farm ausserhalb von Nairobi, wo er auch Wein anbaute. Beruflich galt seine Aufmerksamkeit wieder vermehrt der Region um den Turkanasee. Das von ihm gegründete Forschungszentrum Turkana Basin Institute profitierte bis zuletzt von seiner fachlichen Expertise und seinen Bemühungen um internationale Geldgeber.

Zudem beschäftigte er sich seit Jahren mit der Idee, am Turkanasee ein von Stararchitekt Daniel Liebeskind entworfenes Museum zur Geschichte der Menschheit zu bauen – ein angesichts der peripheren Lage und der erheblichen Kosten tollkühnes Projekt. Die für 2024 angedachte Eröffnung dürfte angesichts der noch ausstehenden Finanzierung wenig realistisch sein. Mit Blick auf Leakeys Leben scheint es aber zumindest nicht undenkbar, dass sich auch seine letzte Idee, trotz erheblichen Widerständen, irgendwann durchsetzt.

Am Sonntag ist Richard Leakey in seiner Heimat gestorben. Kenyas Präsident Uhuru Kenyatta lobte die «hervorragenden Dienste», die Leakey für sein Land geleistet habe.

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